
In einer Welt, die nach Perfektion strebt und Erfolg oft an äußeren Maßstäben misst, sind Selbstzweifel ständige Begleiter – besonders für Frauen in Führungspositionen und beratenden Berufen. Als (weibliche) Coaches und Führungspersonen stehen wir nicht nur vor der Herausforderung, andere zu unterstützen, sondern müssen auch einen Umgang mit unsere eigenen inneren Herausforderungen meistern.
Der Grund, warum weibliche Führungspersonen und Coaches häufiger an Selbstzweifeln leiden als ihre männlichen Kollegen, hat mehrere Ursachen, die durch Studien belegt sind.
Innere Stärke? Eine kurze Einordnung dazu:
Frauen zweifeln häufiger an ihrer eigenen Kompetenz, weil sie seltener zur Selbstpromotion ermutigt werden als Männer. Eine Umfrage unter 2.400 Führungskräften ergab, dass 87 % der Frauen Selbstzweifel als Hauptgrund für ihre geringere Repräsentation in Führungspositionen nennen, während nur 57 % der Männer das als Problem sehen. Zudem halten 80 % der Frauen ihre Fähigkeit zur Selbstvermarktung für unzureichend, im Vergleich zu nur 38 % der Männer. Auch in Gehaltsverhandlungen schätzen Frauen ihre Kompetenz oft niedriger ein als Männer.
Die Bertelsmann Stiftung fand in einer repräsentativen Studie heraus, dass etwa 30 % der Führungskräfte an ihrer Rolle zweifeln, doch Frauen trifft das besonders hart. Die Erwartungen an weibliche Führungskräfte sind oft widersprüchlich: Sie sollen durchsetzungsfähig, aber nicht „zu dominant“ sein, empathisch, aber dennoch entscheidungsstark. Diese „Double-Bind“-Situation verstärkt Unsicherheiten und führt zu höheren Selbstzweifeln.
Das Impostor-Syndrom – das Gefühl, nicht wirklich kompetent zu sein und bald „entlarvt“ zu werden – tritt bei Frauen häufiger auf, als bei Männern. Ein Grund ist die nach wie vor geringe Anzahl weiblicher Vorbilder in Top-Führungspositionen. Ohne sichtbare Vorbilder fehlt oft das Vertrauen in die eigene Führungsfähigkeit.
In diesem Essay beleuchte ich acht verschiedene Facetten von Selbstzweifeln und zeige praktische Wege auf, wie wir diese Selbstzweifel in Selbstvertrauen, Entwicklung und Wirksamkeit umwandeln können.
Acht Facetten von Selbstzweifeln und Ideen für Lösungen
1. Perfektionismus und hohe Erwartungen
Perfektionismus ist ein häufiger Auslöser für Selbstzweifel, besonders bei hochqualifizierten Frauen. Der Druck, alles fehlerfrei zu machen, kann lähmend wirken und uns daran hindern, unser volles Potential zu entfalten. Oft entsteht dieser hohe Erwartungsdruck aus der Überzeugung, dass nur absolute Perfektion gut genug ist.
Lösungsansätze:
Die 80-20-Regel leben: Konzentriere dich auf das Wesentliche. Nicht jede Aufgabe erfordert 100% Perfektion.
Liebe deinen Prozess: Lerne, kleine Schritte auf dem Weg zum Ziel/zur Lösung wahrzunehmen und wertzuschätzen.
Fehlerfreundlichkeit kultivieren: Betrachte Fehler als Lernchancen. Führe ein Erfolgs- und Lerntagebuch.
Progressive Exposure: Erlaube dir Entwicklung. Teile gezielt unperfekte Arbeit und nutze das Feedback für deinen Prozess. Beginne mit kleinen Projekten und steigere dich langsam.
2. Das Imposter-Syndrom
Viele erfolgreiche Menschen, besonders Frauen, kennen das Gefühl, ihre Erfolge nie wirklich verdient zu haben und fürchten, als Betrügerin entlarvt zu werden. Dieses Phänomen ist besonders in Coaching- und Führungspositionen verbreitet.
Lösungsansätze:
Erfolgsinventur: Führe regelmäßig eine Bestandsaufnahme deiner Erfolge, Qualifikationen und positiven Feedbacks.
Gib dein Wissen weiter: Biete ein Mentoring an und/oder schreibe Beiträge (oder spreche) über etwas, was du weißt und an andere weitergeben möchtest.
Kompetenztagebuch führen: Notiere täglich mindestens eine Situation, in der du deine Kompetenzen und Fähigkeiten erfolgreich eingesetzt hast.
Hole dir Feedback ein: Frage Menschen, die dich kennen, welche drei positiven Eigenschaften und welche drei Kompetenzen sie mit dir verbinden. (Damit es nicht wie ein „fishing for compliments“ aussieht, erkläre, dass du dich in einer Selbstreflexion befindest, um zu entscheiden, wie du dich weiterentwickeln kannst.)
3. Die Vergleichsfalle
In Zeiten sozialer Medien ist der Vergleich mit anderen allgegenwärtig. Dies kann zu lähmenden Selbstzweifeln führen.
Lösungsansätze:
Digitale Entgiftung: Definiere bewusste Auszeiten von sozialen Medien und/oder suche dir Communities und Netzwerke, die dir entsprechen.
Einzigartigkeit kultivieren: Entwickle ein klares Profil deiner individuellen Stärken und Präferenzen. Zeige dich verletzlich und nahbar – Menschen folgen Menschen!
Konkurrenzdruck umwandeln: Nutze den Vergleich konstruktiv als Inspiration und Lerngelegenheit. Ziehe in Betracht dich mit vermeidlichen Konkurrent*innen kollegial zu verbünden. (Im Austausch werdet ihr schnell erkennen, dass Platz für euch beide ist und wir alle gemeinsam wirksamer sind.)
4. Familiäre und kulturelle Prägungen
Viele unserer Selbstzweifel wurzeln in früheren Erfahrungen und kulturellen Botschaften (z.B.: über die Rolle der Frau in Führungspositionen).
Lösungsansätze:
Glaubenssatzanalyse: Identifiziere limitierende Überzeugungen und deren Ursprung. Formuliere neue Sätze, die deiner Identität entsprechen.
Rollenvorbilder suchen: Umgebe dich aktiv mit Menschen, die ihren Wert verkörpern.
Transgenerationale Heilung: Arbeite daran, alte Muster zu durchbrechen.
5. Angst vor Veränderung und Wachstum
Als Menschen, besonders als Coaches und Führungspersonen sollten wir uns ständig weiterentwickeln und lebenslanges Lernen praktizieren. Die damit verbundene Unsicherheit kann starke Selbstzweifel auslösen. Wer nicht risikobereit und experimentierfreudig ist, verhindert die eigene Entwicklung.
Lösungsansätze:
Wachstumsmindset entwickeln: Betrachte Herausforderungen als Chancen für Entwicklung.
Experimentierräume schaffen: Kreiere oder suche sichere Umgebungen zum Ausprobieren.
Resilienzrituale etablieren: Entwickele persönliche Praktiken wie bewusste Atemarbeit, Meditation oder kreative Praktiken, wie das Journaling oder andere Formen deines kreativen Ausdrucks.
6. Balance zwischen Professionalität und Authentizität
Viele weibliche Coaches und Frauen in Führungspositionen kämpfen mit dem Spagat zwischen professioneller Fassade und authentischem Selbstausdruck.
Lösungsansätze:
Authentitätsaudit: Überprüfe regelmäßig, ob und wie du dir selbst treu bleibst.
Verletzlichkeit als Stärke nutzen: Setze Verletzlichkeit bewusst ein.
Grenzen setzen: Definiere klare persönliche und professionelle Grenzen.
Nutze deinen individuellen Kreativ-Kern, er ist dein USP: Du brauchst kein Branding. Du brauchst Bewusstsein über deine individuelle Kreativität und einen inneren Kompass, der dich und deine Kernanliegen leitet und Weiterentwicklung Willkommen heisst.
7. Mangelndes Selbst-Bewusstssein
Vielen Menschen fehlt es an mangelnder Selbstreflexion, die häufig mit daraus resultierendem mangelndem Selbst-Bewusstsein und vernachlässigter Selbstfürsorge resultieren kann. Davon sind Coaches und Führungspersonen ebenfalls betroffen. Was häufig fehlt ist die regelmäßige Praxis, eigene Werte und Ziele auszuloten, sowie das Bewusstsein über eigene Denk-Präferenzen, Bedürfnisse, Stärken und Schwächen zu schaffen.
Lösungsansätze:
Burnout-Präventionsmaßnahmen: regelmäßige Selbstfürsorge wie Atemarbeit, Meditation, gezielte Pausen und Nervensystem-Regulation
Bewusstseinsarbeit: der gezielte Blick in den inneren Spiegel – mit Hilfe von Reflexionen, Journaling-Meditationen, Feedback-Gesprächen und Assessments, wie z.B. der FourSight Messung und dem Creative Profiling.
Inner Development Praxis: kontinuierliche Arbeit an eigenen Herausforderungen (z.B. mit dem soluvaire creative problem solving navigator oder in einem 7 Wochen Commitment – Inner Development Goals Selfleadership Workshop).
Sorge für eine gute MindBody Connection: Wir lösen Herausforderungen nicht mit dem Kopf allein!)
8. Mangelnde soziale Unterstützung und Netzwerkbildung
Obwohl wir heute viele Verbindungen in sozialen Netzwerken haben, fühlen sich viele Menschen einsam. Kollegiale Unterstützung und tief gehender Austausch, Peer-Gruppen und Mentor*innen-Beziehungen sind meist unzureichend. Damit fehlt es häufig auch an kreativer Kollaboration, Kommunikations- und Problemlösungskompetenz.
Lösungsansätze:
Raus aus der Social Media Falle: stärke echte soziale Verbundenheit in Communities und Netzwerken, in denen kollegialer Austausch und Unterstützung gelebt werden. Es gibt eine Reihe kleiner Communities, die zwar keine großen Followerzahlen bringen, dafür aber echte Verbindungen zu deinen Themen und Anliegen. (Wenn Inner Development und Kreativität spannende Themen für dich sind, lade ich dich herzlich in den soluvaire® Open Community Space ein.)
Lerne von Vorbildern: Mentor*innen-Beziehungen sind in o.g. Communities leicht zu finden. Starte eine aktive Suche oder sprich Menschen an, die dein Vorbild sind.
Kommt gemeinsam in die Sichtbarkeit: Sprecht öffentlich darüber, was ihr an Kolleg*innen schätzt und warum sie ein Vorbild für euch sind. (Ich selbst habe mich einer tollen Sichtbarkeitsinitiative mit dem Name #ONEMILLIONWOMEN! angeschlossen. Dazu führe ich am 5. Februar ein Live-Podcast Gespräch mit Dr. Ulrike Straßer. Hier kannst du dich anmelden, wenn du dabei sein magst.)
Entwicklung von Problemlösungs- und Kommunikationskompetenz: Lerne deine Denkpräferenzen kennen und entwickle damit Bewusstsein für deinen Umgang mit Herausforderungen und den damit verbundenen Prozess. Du stärkst damit dein kreatives Selbstvertrauen und die Sicherheit, andere in der Problemlösung zu begleiten.
Integration im Alltag
Selbstzweifel gehören zum menschlichen Erfahrungsschatz und können wertvolle Wegweiser für persönliches Wachstum sein. Als Coaches haben wir die Chance, durch unseren Umgang mit Selbstzweifeln ein Vorbild zu sein. Methoden wie Solover helfen dabei, kreatives Selbstvertrauen wiederzuentdecken.
Praktische Integration:
Tägliche Reflexion: Nimm dir jeden Tag Zeit für deine Selbstzweifel.
Gemeinschaft stärken: Schaffe Räume für Austausch mit anderen Frauen.
Kreative Ausdrucksformen nutzen: Journaling, Kunst oder Bewegung helfen bei der Transformation von Zweifeln.
Fazit - Innere Stärke für Coaches und Führungspersonen lohnt sich.
Selbstzweifel sind kein individuelles Problem, sondern ein strukturelles Phänomen. Unternehmen können gezielt gegensteuern, indem sie Mentoring-Programme, stärkenorientierte Führung und transparente Beförderungskriterien fördern und damit innere Stärke für Coaches und Führungspersonen, aber auch für alle anderen Mitarbeitenden supporten.
Aber auch du selbst kannst ins Tun kommen: Der Weg von Selbstzweifeln zu innerer Stärke ist kein linearer Prozess, sondern ein individueller Weg durch meist unvorhersehbares Gelände. Als Coaches und Führungspersonen haben wir die einzigartige Gelegenheit, unsere Zweifel in inneres Selbstvertrauen umzuwandeln – für uns selbst und die Menschen, die wir begleiten. Meine vorgestellten Ansätze bieten einen praktischen Rahmen, um Selbstzweifel als Teil unserer Entwicklungsreise zu akzeptieren und aktiv an ihrer Transformation zu arbeiten. Dabei ist es mir wichtig zu erwähnen, dass diese Ansätze nur erste Ideen und Empfehlungen sind. Ich möchte dazu einladen, meine Impulse zu probieren und um weitere Ansätze zu ergänzen.
Gemeinsam können wir eine Kultur schaffen, in der Selbstzweifel als Zeichen von Tiefe und Entwicklungspotenzial verstanden werden – eine Kultur des gegenseitigen Ermutigens auf unserem einzigartigen Weg. Wenn du dir dabei meine Begleitung wünschst, schreib mir.
Deine Jutta
Quellen:
Danke, liebe Jutta für diese Ausführung. Ein guter Spiegel oder Leitfaden für die eigene Reflexion. Das Kompetenztagebuch hat mich abgeholt und möchte ich mitnehmen in mein Jahr 2025.